Braucht es die Kondensatoren beim Digitalumbau noch?
Ja, aber...
Diese Frage wird in Foren oft sehr konträr diskutiert. Viele Beiträge in den Foren basieren auf mangelndem Elektrotechnik-Wissen, aber auch auf mangelnden Kenntnissen bezüglich der geltenden Gesetzgebung.
Aufgabe der Kondensatoren an Motoren
Fast alle in den Modellbahnloks verbauten Motoren sind Kommutatormotoren. Kommutatormotoren haben einen Rotor mit elektrischen Spulen. Diese Spulen werden mit jeder Drehung zwei Mal umgepolt. Jede Umpolung hat zur Folge, dass in der Spule eine Gegenspannung (auch Gegen-EMK genannt) erzeugt wird. Diese Gegenspannung kann auch in Modellbahnmotoren mehrere hundert Volt betragen.
Die Aufgabe der Kondensatoren ist es nun, diese teilweise mehrere hundert Volt hohe Spannung zu eliminieren, denn diese Gegenspannung ist gleichzeitig auch ein Störfunksender. Je nach Land und Gesetzgebung ist die Situation etwas anders, grundsätzlich laufen alle Gesetzgebungen darauf hinaus: Störfunksender sind nicht erlaubt und müssen deshalb an der Quelle unterdrückt werden. Bei der Modellbahn eben gleich am Motor. Daraus folgt: Auf die Kondensatoren dürfen wir nicht verzichten.
Bei der digitalen Modellbahn haben die Kondensatoren noch eine weitere Aufgabe: Sie schützen den Decoder vor der u.U. mehrere hundert Volt hohen Gegenspannung des Motors. Daraus folgt: Auf die Kondensatoren dürfen wir nicht verzichten.
Funktionsweise der Kondensatoren an Motoren
Es gibt nun drei verschiedene Varianten, wie man die Kondensatoren einbauen kann, damit sie ihre Funktion wahrnehmen:
- Ein Kondensator zwischen den beiden Motoranschlüssen.
- Je ein Kondensator zwischen der Lokmasse und je einem Motoranschluss.
- Eine Kombination der beiden oben genannten Varianten.
Allen drei Varianten ist gleich, dass sie die vom Motor induzierte Gegenspannung absorbieren, es entsteht also kaum ein Störsender und auch der Decoder ist vor einer zu hohen Spannung geschützt.
Der Analog-Betrieb
Im konventionellen Analogbetrieb war - insbesondere bei den Wechselstrom-Modellen - oft die Lok-Masse bereits das Potenzial des einen Motoranschlusses. Der andere Pol änderte sich mit maximal 50Hz. Die verbauten Kondensatoren verhielten sich damit fast wie "nicht verbunden" und konnten vernachlässigt werden.
Die Problematik beim Digital-Betrieb
Die Lastregelung der Decoder machen sich die Gegenspannung zu nutze um die Drehzahl zu ermitteln. Wenn die Gegenspannung nun durch die Kondensatoren all zu stark unterdrückt werden funktionert die Lastregelung nicht mehr. Insbesondere bei der ersten Generation von Lastregelungsdecodern war dies ein Problem. Aktuelle Decoder haben damit jedoch bei korrekter Parametrierung und korrekter Anwendung der Kondensatoren keine Probleme mehr.
Im Digitalbetrieb ist das Gleissignal eine Pulsweitenmodulation mit einer Frequenz zwischen 6 und 20kHz. Auch die Motoren werden (fast immer) mit einer Pulsweitenmodulation mit 20 oder 40kHz angesteuert. Die Krux an der Geschichte ist, dass die Lokmasse nicht mehr der Decodermasse entspricht. Das hat zur Folge, dass sich die Polarisation an den Motoranschlüssen gegenüber der Lok-Masse mit bis zu rund 50kHz ändert. Wir sind damit in einem Frequenzbereich (rund tausend Mal höher als bei Analog) bei dem wir die Kondensatoren nicht mehr vernachlässigen können. Die oben genannte zweite Variante (Kondensatoren zwischen Motor und Masse) bereitet uns in dieser Hinsicht unlösbare Probleme.
Die Lösung mit den Kondensatoren
Auch aktuelle Digital-Loks werden heute mit Kondensatoren ausgeliefert. Wer genau hinsieht stellt fest: alle Kondensatoren sind immer zwischen den beiden Motoranschlüssen verbaut, nie aber zwischen Motoranschluss und Masse. Das ist auch die Lösung bei den Umbauten von analogen Loks.
Kondensatoren zwischen den Motoranschlüssen bleiben in der Lok drin.
Kondensatoren zwischen Motoranschlüssen und Masse müssen entfernt werden und - falls nicht schon vorhanden - durch Kondensatoren zwischen den Motoranschlüssen ersetzt werden.
Das ersatzlose Entfernen von Kondensatoren ist nicht nötig und auch gesetzlich nicht zulässig.
Der Entstörkondensator an einem HAG-Drehgestell, eingebaut zwischen den beiden Motoranschlüssen. Dieser Kondensator muss bei einem Digitalumbau drin bleiben.
Die EMV-Gesetzgebung
Die EMV-Gesetzgebung ist nicht ganz einfach. Um nicht zu sagen verdamt kompliziert. Sie beinhaltet mehrere Duzend EN-Normen welche auch für die Schweiz relevant sind. Wer sich etwas intensiver mit dem Thema EMV beschäftigen möchte darf sich gerne selbst durch die relevanten EMV-Normen lesen. Ich gebe zu, ich habe nicht alle vollständig gelesen, denn es sind schlicht und einfach zu viele.